In einem Massengrab am Städtischen Friedhof St. Pölten, Gruppe VI, sind ohne jeden Hinweis auf ihre Identität, Herkunft, Religion oder die Umstände ihres Todes 261 Opfer der Kriegsjahre 1940 bis 1945 beerdigt. Sie waren Kriegsgefangene, jüdische und christliche Zwangsarbeiter:innen, Flüchtlinge und „Umgesiedelte“ aus ganz Europa. Nach jahrelangen Forschungen, die von dem St. Pöltner Magistratsbeamten Manfred Wieninger durchgeführt und am Institut für jüdische Geschichte Österreichs (INJOEST) aufbereitet wurden, wurde den Beerdigten nun, 80 Jahre nach Kriegsende, ein würdiger Grabstein mit allen 238 bekannten Namen gesetzt.
„Es ist ungewöhnlich, dass man Menschen hier am Friedhof gedenkt, um die man nicht persönlich trauert. Doch hinter jedem Namen steht eine Geschichte von Gewalt, Deportation oder zumindest ein tragisches Schicksal, das vor dem Vergessen bewahrt werden muss", sagte die wissenschaftliche Leiterin des INJOEST, Martha Keil, bei der Gedenkfeier zu den zahlreichen Anwesenden.
Würdiges Zeichen der Erinnerung
Die Grabsteine, entworfen von Künstlerin Renate Stockreiter, geben den Menschen in diesem Massengrab ihren Namen und damit ein Stück ihrer Identität wieder zurück. Mit diesem Schritt wurde nun ein Gedenken an diese Opfer der Jahre 1940 bis 1945 ermöglicht.
„Die Aufarbeitung ist ein Verdienst von einzelnen Personen. Manfred Wieninger, der leider viel zu früh von uns gegangen ist, hat mit seiner akribischen Recherche einen wichtigen Beitrag für dieses Erinnerungszeichen geleistet. Vor diesem Grabstein mit den Opfern des Krieges müssen wir uns aber auch vor Augen halten, wie kurz die Phase der Demokratie in Österreich erst ist. Frieden und Demokratie sind unser höchstes Gut, daher dürfen wir Kriege nie akzeptieren. Dieses Massengrab, das Arme, Reiche und Angehörige verschiedenster Religionen sowie Nationen vereint, zeigt uns klar, dass wir im Tod alle gleich sind", betonte Bürgermeister Matthias Stadler bei der Grabsteinsetzung am Stadtfriedhof.
23 Personen weiter unbekannt
23 Individuen konnten nach wie vor keinem Namen zugeordnet werden. Unter den Opfern befanden sich auch 25 Kinder, deren Namen von Alexander Wieninger-Pabst, der Sohn des verstorbenen Manfred Wieninger, verlesen wurden.
„Die Grabsteine sind ein Zeichen der Würde und Menschlichkeit. Erinnerung ist immer der Grundstein für die Zukunft", sagte Landeshauptfrau Mikl-Leitner.
Auch St. Pöltner:innen unter den Opfern
Unter den zahlreichen Opfern sind auch 24 Menschen aus St. Pölten, die hier im Krankenhaus oder im Altersheim gestorben sind. Bekannt ist auch, dass hier 15 Jüdinnen und Juden aus Ungarn, die im Lager Viehofen ums Leben kamen hier bestattet sind, genauso wie 44 Kriegsgefangene, darunter eine Frau, sowie 64 Zwangsarbeiter:innen und elf Kinder aus Bulgarien, Georgien, Ungarn, Griechenland, Italien, Kroatien, Polen, Rumänien, Russland, Serbien und der Ukraine.
Wenn Sie Angehörige haben, auf die einer der folgenden Namen und das Todesjahr zwischen 1940 und 1945 zutreffen, setzen Sie sich bitte mit dem Institut für jüdische Geschichte Österreichs (INJOEST) in Verbindung: office@injoest.ac.at.
Die St. Pöltner Opfer:
Anger Augustin
Baumann Ignaz
Damböck Leopold
Froh, geb. Kitzler, Theresia
Hendl Rosalia
Hossmann Johann
Huber Franz
Huber Gustav
Koglbauer Franziska
Köstrer Antonie
Kraft Johann
Leimer Leopold
Meissen Johann
Muhr Johann
Nurscher Josef
Peduzzi Eduard
Pomella Josef
Prisching Josef
Riedler Antonia
Riedler Gerhard (Kind)
Sedelmeier Josef
Stangl Rosa
Traxler Pauline
Vater Sophie
Mögen sie in Frieden ruhen!