Im Stadtarchiv und dem Dachboden des NÖ Pressehauses schlummerte bis jetzt ein unentdeckter Schatz der regionalen Filmgeschichte über die Redaktion und Druckerei des Pressvereins St. Pölten in der Linzer Straße. In Blechdosen mit der Aufschrift „Die schwarze Garde marschiert“ überdauerten die 16mm-Filme die Jahrzehnte und warteten auf ihre Wiederentdeckung.
„Uns war sehr wohl bewusst, dass dieser Film existiert, doch aufgrund des Titels vermuteten wir eher Aufnahmen des Militärs bei Paraden oder Aufmärsche der Heimwehr oder der Ostmärkischen Sturmscharen“, erklärt Museumsleiter Thomas Pulle. Erst der zufällige Fund eines Artikels der St. Pöltner Zeitung zur Premiere des Films im Jahre 1937 und eine umfassende Recherche von Historiker Lukas Kalteis brachte Licht in die Sache und Anhaltspunkte zum Inhalt. Demnach handele es sich bei der „Schwarzen Garde“ es sich um einen Spielfilm, der die Arbeiten in der Druckerei und die Herstellung der St. Pöltner Zeitung anhand einer fiktiven Handlung erklärt. „Man muss den Lesern in unaufdringlicher Weise vor Augen führen, wieviel Arbeit und Mühe es kostet, bis die Zeitung fertig vor dem Leser liegt“, heißt es im Artikel über den „Propagandafilm“. Propaganda ist in diesem Zusammenhang jedoch auf Werbung bezogen. Die politischen Geschehnisse der 30er Jahre spielen in der Handlung selbst keine Rolle.
Die Digitalisierung des nach eigenen Angaben ersten österreichischen Spielfilms auf 16mm-Schmalfilmformat brachte einmalige Aufnahmen zu Tage. Er zeigt beeindruckende Bewegtbilder der Innenstadt nur Monate bevor nach dem „Anschluss“ im März 1938 auch in St. Pölten Hakenkreuzfahnen wehten und Adolf Hitler selbst auf seinem Weg nach Wien in St. Pölten Station machte. Unter anderem führt die Handlung zum Domplatz, wo die 1935 errichtete und bereits 1938 wieder abgerissene Dollfuß-Säule in Szene gesetzt wird. Zudem zeigt der Stummfilm Aufnahmen des alten Krankenhauses, der Linzer Straße, der Hauptschule am Schillerplatz, der Heßstraße, des Brunnenhofs der Diözese und der Hofstatt mit längst verschwundenen Gebäuden. Auch ein Gutshof im Teufelhof wurde in die Handlung miteinbezogen. Diese Filmbilder aus dieser Zeit sind wirkliche Raritäten und zeigen einen Ausschnitt aus dem Alltag der St. Pöltner Bevölkerung vor knapp 90 Jahren.
Einmalige Einblicke in Druckerei und Redaktion der St. Pöltner Zeitung
Das Hauptaugenmerkt des Films liegt auf der Zeitungsherstellung in der Redaktion und der Druckerei des Katholischen Pressvereines, der mit Ausnahme der NS-Zeit seit 1874 bis heute besteht. Die Handlung, die sich um diese Arbeit herum spinnt, dreht sich um einen, nach dem Ersten Weltkrieg verarmten, Reserveoffizier und alleinerziehenden Vater, der in St. Pölten durch den Pressverein seinen ehemaligen Unteroffizier, einen reichen Gutsbesitzer, trifft und schlussendlich beim ihm Arbeit findet.
In der Linzer Straße 7 wurden über Jahrzehnte mehrere Regionalzeitungen, darunter die St. Pöltner Zeitung, die Kremser-Zeitung, die Ybbstal-Zeitung und die Eggenburger Zeitung, sowie allerlei andere Drucksorten hergestellt. Dem Verein standen Obmann Johann Jankovic und der Geistliche Anton Teufel als Direktor vor. Anton Teufel kommt im Film selbst vor und führt durch die längst verschwundenen Räume. Die St. Pöltner Zeitung besteht dagegen als Niederösterreichische Nachrichten (NÖN) bis heute fort.
„Dieser auf fünf Akte aufgeteilte Film stellt ein wichtiges zeithistorisches Dokument dar, das einen spannenden Einblick in das St. Pölten der 30er Jahre kurz vor der NS-Zeit bietet“, sagt Lukas Kalteis.
Der Film wird am Dienstag, 26. August 2025 erstmals seit 1937 wieder auf großer Leinwand im Open-Air-Kino des Cinema Paradiso am Rathausplatz laufen. Der Stummfilm wird dabei von Stummfilmpianist Gerhard Gruber vertont, der die Bilder wieder zum Leben erweckt. Davor und danach werden Thomas Pulle und Lukas Kalteis Vorträge halten sowie die gezeigten Orte erklären und dem heutigen Stadtbild gegenüberstellen.
Nähere Infos und Tickets unter www.cinema-paradiso.at.