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Das Palais Herberstein am Riemerplatz (C) Stadtmarketing St. Pölten

Unter der Oberfläche – die Fassaden von St. Pölten

Derzeit werden gerade zahlreiche historische Fassaden in der St. Pöltner Innenstadt renoviert – seit 2022 auch jährlich finanziell unterstützt durch die Fassaden-Förderaktion der Landeshauptstadt auf Initiative von Bürgermeister Matthias Stadler. Wir haben das zum Anlass genommen, um ein wenig hinter die Geschichten dieser Fassaden zu blicken.

Ein Ort lebt und atmet nicht bloß durch sein historisches Zentrum, sondern durch seine Strukturen, seine Brüche, seine Übergänge – und es ist die bewegte Geschichte von St. Pölten, die diese Stadt so besonders, so lebendig, und letztlich auch so einzigartig macht: Von der Römerzeit, die erst kürzlich wieder im Zuge der Sanierungsarbeiten am und rund um den Herrenplatz und die Wiener Straße so deutlich sichtbar wurde, über die erste Hoch-Zeit im Barock, als Händler und Kaufleute der Stadt zu Reichtum verhalfen, der beginnenden Industrialisierung, zwei überstandenen Weltkriegen, und immer ein Bisschen im Schatten der großen Schwester im Osten: Wien.

Seit jeher eigener Charakter

Doch St. Pölten war zu keiner Zeit bloß „die Stadt vor Wien“, es hatte immer eine eigene, eine ganz besondere Identität. Und das bemerkt man auch, wenn man St. Pölten zu Fuß erkundet: Denn die Fassaden der Häuser sind nicht nur sichtbare Oberfläche; sie sind all die unterschiedlichen Gesichter der Stadt, die Geschichten erzählen, Geschichten von Freude, von Trauer, von Mut, vom Wieder-Aufstehen, und vom In die Zukunft Blicken. Wer durch die Innenstadt von St. Pölten geht, bewegt sich durch über 800 Jahre gebaute Geschichte. Kein Museum, kein Bildband, könnte je das Gehen, das eigene Erleben und Erspüren einer solchen historisch gewachsenen Struktur erfahrbar machen.

Immer in Bewegung

St. Pölten ist die jüngste Landeshauptstadt und gleichzeitig eine der ältesten Städte mit Stadtrecht in Österreich, und auch im Stadtbild finden sich architektonische Brüche als stille Zeugen einer tiefen Vergangenheit: Prachtvolle Barockhäuser, wie etwa das beeindruckende Palais Weinhardt-Thürburg am Herrenplatz, dessen kunstvoller Fassade gerade zu altem Glanz verholfen wird, sorgfältig erhaltene Jugendstilfronten in der unteren Kremser Gasse, imposante Gründerzeithäuser, neo-gotische Prachtfassaden wie das ehemalige Benedikt-Haus in der Wiener Straße 8, unmittelbar neben eher zurückhaltenden Bauten aus der Zeit des Biedermeier. Sie alle stehen Hand in Hand mit architektonisch dem Diktat der materiellen Not geschuldeten Nachkriegsbauten, ebenso wie für den heutigen Blick schwer fassbaren Fassaden der 1970er und 1980er Jahre. Und formen aber gemeinsam, in stoischer Ruhe und stiller Eintracht, ein Stadtbild, das vor allem Eines zeigt: St. Pölten ist eine Stadt, die niemals stillsteht, in der nichts einfach „ist“, aber alles „werden kann“; eine Stadt, die ständig in Bewegung bleibt, auf Bewährtem aufbaut und dabei doch stets nach vorne blickt.

Die Löwen-Apotheke am Beginn der Kremser Gasse (C) Stadtmarketing St. Pölten

Mehr als 60.000 Einwohner:innen

Und das spiegelt sich auch in ihren Einwohner:innen wider, zuletzt 60.000 Menschen, die hier ihre Heimat gefunden haben, die die Nähe zur Natur, genauso wie den urbanen Charakter zu schätzen wissen, und die St. Pölten mit all seinen Möglichkeiten, mit all seinen vielen und unterschiedlichen Gesichtern ihr Zuhause nennen.

Unter der Oberfläche

Neben den sichtbaren Schichten gibt es freilich auch solche, die im Stadtbild weniger präsent, aber nicht weniger bedeutsam sind: die Geschichte der jüdischen Gemeinde von St. Pölten. Seit dem Mittelalter lebten jüdische Familien in der Stadt – zunächst nur am Rand, später auch im Zentrum. Der erste Bürgermeister nach der Befreiung der Stadt von den Nationalsozialisten, der Eisenwarenhändler Günther Benedikt, war der einzige Sohn der Jüdin Melanie Bass – und obwohl nur für vier Wochen im Amt, hat er doch in dieser turbulenten Zeit die richtigen Weichen für einen erfolgreichen Wiederaufbau gestellt.

Aber auch die 1913 errichtete Synagoge an der heutigen Julius-Raab-Promenade war ein bedeutendes Zeichen dieses Selbstverständnisses jüdischen Lebens als Teil der St. Pöltner Kultur. Ihre Kuppel ragte als markanter Teil des Stadtpanoramas über die umliegenden Dächer, bevor sie während der November-Pogrome 1938 brutal verwüstet und später entwidmet wurde. Heute wird das von Grund auf frisch renovierte Gebäude für Veranstaltungen genutzt und beherbergt das Institut für jüdische Geschichte Österreichs – und es soll uns alle für immer daran erinnern: Niemals wieder.

Das ehemalige Haus der Familie Benedikt in der Wiener Straße 8 (C) Stadtmarketing St. Pölten

Einladung zum Innehalten und zur Auseinandersetzung

Ein Spaziergang durch die Innenstadt ist daher nicht nur eine beeindruckende architektonische und geschichtliche Erfahrung, sondern auch eine Einladung zur Auseinandersetzung: Wer sich Zeit nimmt, kann erkennen, wie vielschichtig diese Stadt gebaut ist – nicht nur aus Stein und Ziegel, sondern auch aus Erinnerungen, Umbrüchen und Neuanfängen. Zwischen der Domgasse und der Kremser Gasse, dem Herrenplatz und der Wiener Straße, zwischen ehemaligen Gasthöfen und heutigen Boutiquen, zwischen alten Fenstergittern und modernen Auslagen, zeigt sich eine Stadt, die nicht inszeniert, sondern trägt.

Es lohnt sich, immer wieder stehen zu bleiben und innezuhalten, zu sehen und zu spüren. Nicht vor dem einen berühmten Gebäude, sondern stets aus Neue, nur kurz und zwischendurch – dort, wo die Fassaden der Stadt ihre Geschichten erzählen wollen. Die Häuser von St. Pölten versuchen nichts darzustellen, was sie nicht sind, und auch die Innenstadt ist keine bloße Kulisse, denn sie ist viel mehr als das: Sie pulsiert und atmet im Gleichklang mit ihren Bewohner:innen. Eine gewachsene Struktur, die mit uns mitgeht, wenn wir uns durch sie hindurchbewegen, die stiller Begleiter und Rückzugsort, Lebensfreude, Lachen und Hoffnung auf eine gute Zukunft sein kann, und schon jetzt eine Heimat für uns alle ist. Eine herzliche und offene Stadt, so viel mehr, als nur die Summe all ihrer unzähligen Fassaden, nämlich erlebbare Geschichte, die alle willkommen heißt. Eine Stadt, in der es sich im Betrachten ihrer Gebäude manchmal beinahe so anfühlt, wie eine freundschaftliche Umarmung bei einem Wiedersehen nach viel zu langer Zeit: Unser St. Pölten.

Philipp Gravenbach

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