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Hauptstadtregion

Wirtschaft auf der Überholspur

A1 auf Höhe St. Pölten bei Nacht (Foto: Josef Bollwein)
A1 auf Höhe St. Pölten bei Nacht (Foto: Josef Bollwein)

Die St. Pöltner Wirtschaft präsentiert sich auch in schwierigen Zeiten stabil – dank eines breiten Branchenmixes. Aus dem Eisenbahn-Traditionsstandort wurde ein landesweiter unternehmerischer Anziehungspunkt. Eines der Zauberwörter für den Erfolg: Kooperation.

Mehr als 2000 Hotelbetten verzeichnete St. Pölten zuletzt – Tendenz weiter steigend. Dass dem so ist, ist nicht zuletzt einem durchaus richtungsweisenden Neuzugang in der Hotellerie der Landeshauptstadt zu verdanken: Erst Ende des Jahres feierte man die Eröffnung des neues »B&B«-Hotels in der Stadt. Die internationale Kette, die 850 Häuser in weltweit 17 Ländern betreibt, ist derzeit auf Expansionskurs an wichtigen Standorten. Dazu zählt nun auch St. Pölten.

Die Nachfrage ist da: Bei Großveranstaltungen wie Messen und Kongressen sowie in den Bereichen Sport oder Kultur komme man »immer wieder an die Kapazitätsgrenzen«, sagt Tourismusdirektor Stefan Bauer. Seit Ende der Corona-Pandemie erfreut sich die Stadt steigender Besucher- und Nächtigungszahlen. Mittlerweile liegt man deutlich über dem Vorkrisenniveau 2019. Mit einem ordentlichen Nächtigungsplus 2024 konnte erstmals die Marke von 200.000 Nächtigungen in der Stadt St. Pölten überschritten werden. Dass dem so ist, hat auch und nicht zuletzt mit dem wirtschaftlichen Aufschwung St. Pöltens zu tun. Denn die Erfolge von Tourismus und lokaler Wirtschaft sind in der Landeshauptstadt enger miteinander verwoben, als es auf den ersten Blick scheint: St. Pölten lebt vom sogenannten Business-Tourismus, also von (zahlungskräftigen) Geschäftsreisenden.

Dass es sie nach St. Pölten zieht, hat gleich mehrere Gründe: Seit die Stadt im Jahr 1986 zur Landeshauptstadt erhoben wurde und die Landesregierung 1997 von der Wiener Innenstadt in die Heimat übersiedelte, ist sie zu einem Polit- und Verwaltungszentrum geworden. Viele Firmen haben hier ihre Zentralen, Versicherungen und Banken ihre Landesdirektionen.

Damit stieg die Zahl der Arbeitsplätze, die rund 60.000 umfasst, stark und ist somit genauso hoch wie die Anzahl der Bewohner mit Hauptwohnsitz. 39.843 erwerbstätige Einpendler verzeichnet St. Pölten – dem gegenüber stehen 9.684 erwerbstätige Auspendler. »Früher sind zwei Drittel der Menschen nach Wien ausgependelt«, sagt Christoph Schwarz, der als Leiter der Stabs­abteilung Zukunftsentwicklung, Wirtschaft und Marketing auch für das Wirtschaftsservice Ecopoint verantwortlich ist. »Heute hat sich die Zahl umgekehrt.«

Dass das »B&B«-Hotel mit 105 Zimmern nicht nur in Bahnhofsnähe, sondern auch am St. Pöltner Sparkassenplatz liegt, mag Zufall sein – symbolträchtig ist es mit Blick in die Stadtgeschichte dennoch: Die Sparkasse steht ebenfalls für den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt. Und das seit dem Jahr 1854, in dem die damalige Vereinssparkasse St. Pölten an keinem geringeren Ort als dem Rathaus aus der Taufe gehoben wurde. Erster Kassier war einst ein Rauchfangkehrer, die Anforderungen an die Mitarbeiter waren (aus heutiger Sicht) gering: Man musste lesen und schreiben können.

GEMEINSAM STARK

Seither hat sich viel verändert, eines ist geblieben: Sparkasse und Stadt sind Krisen und gesellschaftlichen Entwicklungen zum Trotz enge Partner geblieben. So steht der 1884 im Stile eines englischen Landschaftsgartens eröffnete Sparkasse-Park, der einst ein Ort »bürgerlicher Repräsentanz und Kommunikation« war, bis heute im Eigentum der Sparkasse. In erster Linie ist er ein Ort für die Menschen der Stadt – und zwar, so hielt man es einst fest, »für immerwährende Zeiten«. Er dient als Öko-Insel, Erholungs-, Veranstaltungs- und Kulturraum. Auch sozial engagiert man sich: Im Vorjahr hat die Privatstiftung der Sparkasse 170.000 Euro für karitative Projekte ausgeschüttet.

Zusammenarbeit ist generell eines jener Wörter, die man in Wirtschaftskreisen der Landeshauptstadt gerne bemüht. Das nach außen sichtbarste und schlagkräftigste Instrument ist die »Plattform St. Pölten«, ein Zusammenschluss von 350 Wirtschaftstreibenden aller Branchen. Das gemeinsame Motto: Was den Standort stärkt, stärkt uns – und umgekehrt.

Der unternehmerischen Vielfalt, die sich in der »Plattform« abbildet, ist auch der wirtschaftliche Aufstieg St. Pöltens zu verdanken, da ist sich Schwarz sicher: »Die Stadt war nie von nur einer Branche abhängig, ihre Stärke rührt von einem breiten Branchenmix.« War die Stadt einst vor allem für das Chemieunternehmen Glanzstoff bekannt, das hier ab 1906 in seinem Werk bis zu 12.000 Tonnen Viskosefasern jährlich produzierte und 2008 geschlossen wurde, so bildet die Liste der größten Unternehmen der Region heute die große Vielfalt ab.

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Enge Verbundenheit mit der Stadt: In einem repräsentativen Gründerzeitgebäude am Domplatz liegt die Zentrale der Sparkasse, die heute 32 Filialen in ganz Niederösterreich zählt. (c) Josef Bollwein

BUNTE TOP 20

Zu den Top 20 zählen unter anderem der Lebensmittelriese Spar, die Strabag und die Egger-Gruppe. Das Familienunternehmen, einer der größten holzverarbeitenden Betriebe des Landes, betreibt in Unterradlberg bei St. Pölten ein TechCenter, in dem an Entwicklungen für Holzwerkstoffe, Bindemittel und Fertigungsprozesse geforscht wird. Ebenfalls an der Spitze der Großunternehmen zu finden ist die familiengeführte Elektrotechnikfirma Klenk & Meder. Im Jahr 1986 von Herbert Klenk sen. und Helmut Meder gegründet, blickt das Unternehmen auf eine 56-jährige Erfolgs- und Expansionsgeschichte zurück. Im Jahr 1994 eröffnete man in St. Pölten auf 7500 Quadratmetern die neue Firmenzentrale. Heute beschäftigt man insgesamt 750 Mitarbeiter.

Am Eisenbahntraditionsstandort haben die ÖBB damit Investitionen in Millionenhöhe durchgeführt, unter anderem durch den Neubau eines Lehrlingsheimes direkt in Verbindung zu den Lehrwerkstätten, die wiederum einen wichtigen Mosaikstein für den Bildungscampus darstellen. Damit wird die Wirtschaft angekurbelt, neue Arbeitsplätze geschaffen, junge Menschen in die Stadt gezogen und das Image der Stadt allgemein gehoben.

BILUNGSCLUSTER

Apropos Ausbildung: Ein großer Standortvorteil für St. Pölten sei auch die Fachhochschule, sagt Schwarz. Nicht nur für die ÖBB, die hier Absolventen des Studiums Bahntechnologie und Mobilität finden. »In vielen Ansiedlungsgesprächen«, sagt Schwarz, »sind gute Bildungsangebote vor Ort zentral. So wissen die Unternehmer, dass sie hier gute Leute finden.« Und die FH wächst weiter: 2023 war ihr bisher erfolgreichstes Jahr – mit mehr als 4000 Studierenden und 5,6 Millionen Euro Forschungsumsatz.

So blickt man optimistisch in die Zukunft: Mit dem neuen Hotel in Bahnhofsnähe ist mit weiteren Zuwächsen an Touristen zu rechnen. Und die Entwicklung bleibt dynamisch: »Im Jahr 2025 werden erstmals über 2000 Gästebetten sowie der Campingplatz am Ratzersdorfer See zur Verfügung stehen«, sagt Tourismusdirektor Bauer. Die Kompetenzfelder, die in der Tourismusstrategie 2030 definiert sind – Geschäftstourismus, Kunst und Kultur, Sport sowie Wein und Kulinarik – werde man weiter stärken. Bauer: »Die Stadt wird auf der touristischen Landkarte einen neuen Stellenwert einnehmen.«

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Die ÖBB sind – unter anderem mit ihrem Ausbildungscenter – ein wichtiger Wirtschaftsmotor für die Stadt: Sie haben in St. Pölten Investitionen in Millionenhöhe durchgeführt. (c) Josef Bollwein