Stadtkern in neuem Kleid

Der umgestaltete Domplatz ist das Herz der Stadt, in den umliegenden Gassen pulsiert das Leben. Wer sich auf Erkundungstour begibt, entdeckt besondere Geschäfte, eine lebendige Lokalszene und kann in der Geschichte St. Pöltens zurückreisen.
Es ist noch gar nicht so lange her, da galt der Domplatz als die größte Fundgrube Österreichs. Mehr als ein Jahrzehnt lang wühlten sich Archäologen durch die Geschichte – und wurden fündig. Sie entdeckten Mauerfundamente und einen mittelalterlichen Friedhof, mehr als 22.000 Skelette konnten freigelegt werden. Diese Entdeckungen könnten St. Pölten noch weltberühmt machen, denn mit Proben aus den Gebeinen wollen Experten die Entwicklung der Pesterreger erforschen. Wer selbst zurück in die Vergangenheit reisen will, der kann mit XR-Brillen (Mixed-Reality-Brillen) die Leutkirche und die Andreaskapelle erkunden, die hier einst das religiöse Zentrum prägten. Eine virtuelle Darstellung der spätromanischen Fassade der Klosterkirche, die heute als Dom von St. Pölten bekannt ist, sorgt ebenfalls für Staunen.
Mindestens so spannend ist freilich die Gegenwart, denn hier, im Herzen der Landeshauptstadt, hat sich viel getan. Der Platz selbst wurde neu gestaltet, man geht nun auf Waldviertler Granitsteinen, eine Sprühnebelanlage sorgt an heißen Tagen für Abkühlung und einige Bäume spenden Schatten. Zwar wurde das Projekt auch von Kritik begleitet, aber mittlerweile hat sich gezeigt, dass der Domplatz vor allem als Bühne bestens funktioniert. Pizzera & Jaus hatten bereits ihren großen Auftritt, Bands aus der Region wurde ebenfalls die Möglichkeit geboten, vor Publikum zu spielen.
MEHR PLATZ FÜR KULINARIK
Die einzigartige Atmosphäre, die vom Domplatz ausgeht, lässt sich auch im »das römer« genießen. Erst vor Kurzem eröffnet, kann man auf der glasüberdachten Terrasse mit Blick auf den Dom entweder ausgiebig Brunchen oder sich abends durch Tapas kosten. Geführt wird das Lokal von echten Routiniers in der städtischen Gastroszene. Die Familie Neuhauser setzt nicht nur auf italienische und spanische Speisen, heimische Winzer können im »das römer« auch ihre Weine präsentieren. Es ist also vieles neu im alten Domviertel.
Wer nach so viel Ruhe einen Kaffee braucht, der sollte im Palais Wellenstein vorbeischauen. Wo einst Gräfin Sybilla Franziska von Wellenstein residierte, gibt es ein Café. Die prunkvollen Empfangshallen bilden den Rahmen für ein Frühstückserlebnis de luxe. Von schwedisch über türkisch oder vegan bis zum opulenten Palais-Angebot – die Auswahl beeindruckt. Mit allerlei Extras kann man seine Variante noch beliebig aufwerten. Gleich gegenüber kommen Weinliebhaber voll auf ihre Kosten. Im »Vino« wird seit mehr als 20 Jahren die Weinkultur gepflegt.
BEDEUTENDES WAHRZEICHEN
Zurück zum Hauptdarsteller des Viertels, einem der Wahrzeichen der Landeshauptstadt: dem Dom zu St. Pölten. Die Ursprünge des Stiftes (St. Hippolytus), die auf die Zeit um das Jahr 790 zurückgehen, sind deshalb so bedeutend, weil sie der Stadt ihren Namen gegeben haben. Bei der barocken Umgestaltung der damaligen Stiftskirche waren schließlich die führenden Künstler jener Zeit tätig: Jakob Prandtauer und später Joseph Munggenast. Dem Herz des Glaubens in der Diözese St. Pölten, wie Bischof Alois Schwarz den Dom gern bezeichnet, wird derzeit eine Verjüngungskur verpasst. Acht Millionen Euro kostet die Sanierung, es bestand dringend Handlungsbedarf, weil die prächtigen Fresken unter Alterserscheinungen leiden und auch Wasserschäden entdeckt wurden. In acht Jahren sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
Der prächtige Dom muss saniert, Fresken müssen restauriert und Wasserschäden beseitigt werden. Dauern wird die Generalsanierung acht Jahre. (c) SEPA Media-Benes
Jedem, der mehr über das Gotteshaus wissen will, sei ein Besuch der Ausstellung »Schädelkult und Stiftstumult« im Museum am Dom ans Herz gelegt. Wer sich nach so viel Geschichte nach einer Stärkung sehnt, sollte im »Café Pusch« die Original St. Pöltner Prandtauertorte aus flaumigen Nussteig, Birnen-Zwetschgen-Marmelade und Schokoguss probieren. Im Sommer lässt sich die am schönsten im Gastgarten direkt in der Fußgängerzone genießen. Rund um den Dom haben sich auch kleine, feine Läden angesiedelt – wie das gut sortierte Geschäft Famos Delikatessen, die Homebase für den gleichnamigen Stand am Wochenmarkt.
Ein kleiner Spaziergang führt zum Herrenplatz, wo es sich im »Café Schubert«, untergebracht in einer ehemaligen Buchhandlung, zu verweilen lohnt. Hier gibt es nicht nur hausgemachte Mehlspeisen, sondern auch hervorragende Mittagsmenüs. Im Schanigarten lässt sich wunderbar das Treiben in der Innenstadt beobachten – hier steigen zudem die Chancen, auf Politiker, Künstler oder Unternehmer zu treffen. Man kennt einander, man grüßt einander. Übrigens: Hier gibt es auch St. Pöltens einzige »Souvlaki-Bar«. Hausherr Ioannis Koursovitis bürgt für Originalität. Und Stammgäste berichten, dass sie durch ihre Besuche sogar ein bisschen Griechisch lernen können.