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Essen & Trinken

Eine Szene im Aufbruch

Sieben Gastronomen an einem Herd: Beim Falstaff-Rezeptshooting zeigen die besten Köche St. Pöltens ihr Können. (Foto: Xenia Trampusch)
Sieben Gastronomen an einem Herd: Beim Falstaff-Rezeptshooting zeigen die besten Köche St. Pöltens ihr Können. (Foto: Xenia Trampusch)

Von Fine Dining über Italo-Flair bis zum Wirtshaus: Die Gastroszene in St. Pölten hat in den vergangenen Jahren ein kulinarisches Profil entwickelt, das sich sehen lassen kann. Auch ohne Delikatessenläden und Nahversorger geht es nicht. Ein Kompass für Genießer.

Als im Jahr 2021 das »Aelium« in der Innenstadt seine Pforten öffnete, waren viele Augen auf das Lokal und seine drei jungen Gründer aus der Wachau gerichtet. Fine Dining in St. Pölten, geht denn das? Heute, fast vier Jahre später, kann man getrost sagen: Ja, das geht. Küchenchef Christoph Vogler serviert hier gute Küche mit viel Finesse und dem (wohltuenden) Selbstbewusstsein, sich nicht den allgegenwärtigen Prämissen von Regionalität und Saisonalität zu unterwerfen. So steht hier Sepia mit Karfiol und Zimt ebenso auf der laufend wechselnden Menükarte wie Buttermakrele mit Räucheraal, Takuan und Enten-Jus oder Neuseeland-Lamm. Die Calamari Fritti und die Aelium Sushi Roll wiederum, die es à la Carte gibt, sind fast schon so etwas wie moderne Klassiker. Selbiges gilt für den Käsewagen, der eigentlich ein umgebauter Sekretär ist und in seinen Schubladen und Fächern Spezialitäten aus aller Welt verbirgt. Wenn Vogler an den Tisch kommt und diese behände öffnet und berät, sind Käseliebhaber im Glück.

Spätestens an dieser Stelle ist klar: Das »Aelium« – das mit seinem Namen an die historischen Ursprünge der Stadt erinnert – ist alles andere als altbacken. Man wolle die »große Welt nach St. Pölten bringen«, sagt Chefin und angehende Master of Wine Elena Rameder, die als Sommelière für die kongenialen Pairings zu Voglers Küche sorgt. Oder anders formuliert: »Wir wollen mehr Berlin sein als Wien.« Hip, urban, mit dem nötigen »Coolness-Faktor« – das ist der Anspruch. Dem wird man auch mit Events und Shows gerecht: Man veranstaltet Champagnerverkostungen, begrüßt Gastköche oder lädt schon mal die bekannte Wachauer »Tiktok-Oma« Trude zum gemeinsamen Kochen. Das Führungstrio, das von Christoph Essl komplettiert wird, hat sich einst in der »Hofmeisterei« in der Wachau kennengelernt, bevor es den Schritt in die Hauptstadt wagte. Bereut hat man ihn nicht: Die Zeiten, in denen die Gäste Schwellenangst hatten, das Fine-Dining-Lokal zu betreten, seien jedenfalls vorbei, sagt Rameder. »Die Menschen sind glücklich, dass es uns gibt.«

Im Aufbruch

Die Geschichte des »Aelium« ist vielleicht auch deshalb so bedeutend, weil sie nicht für sich alleine, sondern exemplarisch für die Aufbruchstimmung steht, die kulinarisch in St. Pölten vor einigen Jahren Einzug gehalten hat. Fünf Lokale sind mittlerweile mit Falstaff-Gabeln ausgezeichnet. »Früher sind die Menschen, wenn sie gut essen wollten, von St. Pölten nach Wien oder nach Krems gefahren«, sagt Matthias Strunz. »Heute ist es umgekehrt. Menschen kommen eigens zum Essen nach St. Pölten.«

 

Strunz weiß, wovon er spricht. Er ist nicht nur Obmann der St. Pöltner Wirtevereinigung, die es sich mit ihren rund 40 Mitgliedsbetrieben seit einem Vierteljahrhundert zum Ziel setzt, geeint etwas »voranzubringen«. Er ist auch Chef der »Gaststätte Figl«. Als solcher hat er sich selbst so einiges getraut. Als damals 31-Jähriger übernahm er das Wirtshaus, dessen Geschäftsführer er war, im Jahr 2020 gänzlich. Das war drei Wochen vor dem ersten Lockdown. Der Neo-Wirt ließ sich nicht entmutigen und startete als einer der Ersten einen Liefer- und Abholservice.

Die Shooting Stars

Von der Entwicklung der Gastroszene ist er angetan: »Die Stimmung ist positiv, viele Junge haben alten Traditionshäusern neues Leben eingehaucht. Und vom Fine Dining über die klassische Wirtshausküche bis zum Ethno-Food gibt es vieles in hoher Qualität«, sagt er. »Die Zeiten, in denen man sich in der St. Pöltner Gastronomie nur den Magen füllen konnte, sind vorbei. Mittlerweile ist hier zu essen ein Erlebnis.« Das kann Strunz auch für sich selbst in Anspruch nehmen. Das »Figl« hat »eine Seele«, wie der Chef selbst sagt. Seit 1947 wird das Haus als Gaststätte geführt, die Schank, die dunklen Holzvertäfelungen und die Einrichtung erzählen von der reichen Geschichte.

Den Ruf als über die Stadt hinaus bekanntes Wirtshaus mit Hang zur Spitzenküche bewahrte Strunz nicht nur, sondern er schärfte das Profil. Im April 2024 holte er Martin Kaufmann in die Küche, der schon im »Andaz« in München, in der Schweiz, in Abu Dhabi und als Sous-Chef von Max Stiegl im »Gut Purbach« werkte. Die Gerichte sind geschmacklich noch präziser geworden, die Klassiker wie das ausgelöste Zitronenbackhendl blieben so ausgezeichnet wie immer. Die Regionalität – Rindfleisch und Erdäpfel kommen von den Bauern ums Eck, der Kürbis wächst am nahen Feld – ist ein großes Thema.

Getraut haben sich in St. Pölten trotz Pandemie auch der Sommelier Maurice Harant (zuvor bei Josef Floh) und Chefkoch Werner Punz (ehemals im »Le Ciel«, wo er mit einem Stern ausgezeichnet wurde), als sie 2020 das »Vinzenz Pauli« übernahmen und neu eröffneten. Das Wirtshaus gibt es seit mehr als 120 Jahren, das fühlt man trotz Modernisierung und der stilvollen Einrichtung. Gemütlichkeit hat hier Tradition. Für die Produkte bedient man sich an der Vielfalt der Region, teilweise wird auch selbst angebaut. Gekocht werden daraus modernisierte Klassiker und Kreatives mit asiatischen Einflüssen (Saiblings-Sashimi oder Bio-Enten-Bao-Bun). Vor allem aber: Fleischlose Gericht wie die veganen Topinambur-Grammel-Knödel (eine Empfehlung!) spielen auf der Karte eine Hauptrolle.

Wirtshauskultur

Dass man Tradition und Innovation vereinen kann, lebt man sowohl im »Figl« als auch im »Vinzenz Pauli« vor. Beide Gaststätten sind Mitglieder des Vereins »Niederösterreichische Wirtshauskultur«, der unlängst sein 30-Jahr-Jubiläum feierte. Rund 200 Betriebe im ganzen Bundesland machen den Verein zu einer der größten kulinarischen Initiativen in Österreich. Das gemeinsame Bekenntnis: das Handwerk zu pflegen, die Region zu schätzen, Gastfreundschaft zu leben.Erkennbar sind die Mitglieder an der typischen ovalen, grünen Plakette, die die Wirtshäuer ziert.

Eine solche findet man auch an den Türen des »Hotel-Gasthof Graf«, wo man sich zum Ziel gesetzt hat, Genuss und Geselligkeit zu vereinen, sowie im »Roten Hahn«, der mit Stolz auf seine lange Tradition zurückblicken kann. Im Jahr 1898 wurde das Wirtshaus im »Teufelhof« am Stadtrand gegründet. Im 19. Jahrhundert fanden hier Hahnenkämpfe statt, was den Namen erklärt. Das Gasthaus ist seit jeher in Familienbesitz und entwickelte sich stetig vom einfachen Ausflugsgasthof zu einer der Topadressen. Geführt wird es inzwischen in fünfter Generation von Christian Widgruber, der mit Küchenchef Sebastian Kickinger Bodenständiges mit modernen Nuancen kreiert. Ob auf ein Glaserl beim Stammtisch oder auf ein Mittagsmenü oder à la carte: Mit durchgehend warmer Küche kommen viele Gäste gerne in den Familienbetrieb – und sei es nur auf ein Tratscherl. Hier herrscht gut balancierte Vielfalt, die bei Stamm- und auch Gästen von außerhalb gut ankommt.

Auf viele Stammgäste zählen auch die Delikatessenläden, Cafés und Konditoreien der Stadt, die das kulinarische Gesamtbild abrunden. Sei es die »Bäckerei Hager«, die mit ihrer Backkunst die Langsamkeit zelebriert oder die Konditorei »Punschkrapferl«, die seit mehr als 30 Jahren von Familie Brandstetter geführt wird – »mit Herzblut und Leidenschaft«, wie man selbst sagt. Das Erfolgsgeheimnis: Eine Mischung aus höchster Produktqualität und einem modernen, zeitgemäßen Ambiente. Tagtäglich wird frisch gebacken – neben Mehlspeisen, Backwaren und personalisierten Torten ist die Konditorei für ihr Eissortiment bekannt.

Tradition erleben kann man auch im »Rendl Keller«, der malerisch eingebettet in der Kellergasse inmitten St. Pöltens liegt. Hier kann man nicht nur urig unter einem herrlichen Gewölbe speisen – auf der Karte finden sich Hausmannkost-Klassiker wie das Knödel-Trio und ein ausgelöstes Backhendl, aber auch Vegetarisches. Auch die Weinauswahl in der eigenen Vinothek kann sich sehen lassen. Im Zentrum des Geschehens steht der »Rendl Keller« zudem beim jährlichen Kellergassenfest, bei dem Winzer vor allem aus dem Traisental ausschenken.

Das Flair von Bella Italia

Auch internationale Küche hat in St. Pölten ihren Platz – allen voran die italienische. Eine der ersten Anlaufstellen für authentische italienische Küche ist zweifelsohne das »La Dolce Vita«, prominent am Rathausplatz gelegen. Im Jahr 2008 eröffneten die Brüder Zanetti ihr Lokal, im Jahr 2014 wurde erweitert. Die Vision: Ein Restaurant zu schaffen, das Tradition und Innovation der italienischen Küche vereint. Man verpflichtete Küchenchef Nicola Guarino, der hier mit seinem Schatz an traditionellen Rezepten zeigt, was Bella Italia kulinarisch zu bieten hat – von raffinierten Antipasti (das Vitello Tonnato ist eine Empfehlung) über Pizza (der Teig darf drei Tage lang reifen!) bis zur frisch zubereiteten Pasta, allen voran den Ravioli und Tortellini.

Etwas versteckter, aber ein wahres Juwel: das »Pepe Nero« in der Fuhrmannsgasse, in dessen Innenhof man sich zwischen Oliven- und Zitronenbäumen fast schon in Italien wähnt. Die Karte bietet knusprige Pizza, Pasta und frischen Fisch. Wer klug ist, lässt sich direkt von Chef Michele Madonna beraten und bewirten.

Wie lebendig die Gastro-Szene ist, zeigt sich nicht zuletzt am Domplatz, auf dem auch der Wochenmarkt stattfindet: Besten Blick auf selbigen hat man von der ausladenden Terrasse des neuen Lokals »das römer« aus. Gastro-Familie Neuhauer hat sich vorgenommen, mit ihrem Konzept selbst zum Domplatz-Flair beizutragen. Fazit: Gelingt soweit gut. Serviert wird Fusion-Küche, die regionalen Schmankerl haben klar spanischen und italienischen Touch. Vor allem für seine Tapas hat sich »das römer« rasch einen Namen gemacht. Es warten Hirschschinken, Chorizo und Aufstrichvariationen ebenso wie kanarischer Erdäpfelsalat mit Mandeln und Salzzitrone oder handfiltierte Sardellen aus der Dose. Spätestens da kommt wirklich Urlaubsfeeling auf!