Am 25. November ist internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen. An den 16 darauf folgenden Tagen – bis zum internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember machen Städte und Institutionen weltweit auf die unterschiedlichen Facetten von Gewalt gegen Frauen aufmerksam und erinnern daran, dass jeder Mensch das Recht hat, ohne Gewalt leben zu dürfen. Während des gesamten Aktionszeitraumes weht die Themenfahne „frei leben ohne gewalt“ vor dem Rathaus. Heute, am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, erinnern 28 Kerzen an jene Frauen, die heuer in Österreich ermordet wurden, 51 Teelichter symbolisieren die Zahl der Frauen, die lebensgefährlich verletzt wurden (Statistik Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser).
Zahlen vom 1. Jänner bis 31. Oktober 2021
- 139: Anzahl der Betretungsverbote, die in der Stadt St. Pölten von der Polizei ausgesprochen wurden
- 1.980: Anzahl der Betretungsverbote, die niederösterreichweit von der Polizei ausgesprochen wurden
- 2.995: Anzahl der Personen, die vom niederösterreichischen Gewaltschutzzentrum beraten wurden
- 47 Frauen, 46 Kinder: Gesamtzahl der Frauen & Kinder, die im St. Pöltner Frauenhaus Zuflucht suchten
- 8.233: Gesamtnächtigungen im Frauenhaus St. Pölten
Zahlen von 2020
- 170: Anzahl der Betretungsverbote, die in der Stadt St. Pölten von der Polizei ausgesprochen wurden
- 1.904: Anzahl der Betretungsverbote, die niederösterreichweit von der Polizei ausgesprochen wurden
- 2.887: Anzahl der Personen, die vom niederösterreichischen Gewaltschutzzentrum beraten wurden
- 47 Frauen, 60 Kinder: Gesamtzahl der Frauen & Kinder, die im St. Pöltner Frauenhaus Zuflucht suchten
- 11.986: Gesamtnächtigungen im Frauenhaus St. Pölten
Mariella Schlossnagl und Martina Eigelsreiter setzen sich für ein gewaltfreies Leben für Frauen ein.
Foto: Josef Vorlaufer
Statements zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“
Folgende Mitglieder der Frauenplattform St. Pölten (eine Initiative des Büros für Diversität der Stadt St. Pölten) machen durch ihre Statements zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ aufmerksam:
Mag.a FH Olinda Albertoni, Leiterin Haus der Frau – Frauenhaus St. Pölten
„Als wir vor einem Jahr 2020 als jenes der Pandemie bezeichneten, konnten wir uns nicht vorstellen, dass uns Covid 19 so lange im Griff haben würde, und es sind vor allem die Frauen, die nun auch die „pandemische Gewalt“ in Form von massiven Belastungen in den Bereichen Arbeit, Haushalt, Kinderbetreuung und/oder Altenpflege erfahren. Dass diese Zeit auch in Niederösterreich die Gewalt an Frauen durch Männer – vorwiegend aus ihrem sozialen Umfeld – extrem verstärkt, lässt sich bedauernswerterweise an dem erst vor 3 Tagen grauenvoll verübten Mord an einer 49-Jährigen aus dem Bezirk Mistelbach darstellen. Wir müssen unmittelbar wirksame Maßnahmen im Gewaltschutz erreichen, um die in der aktuellen Situation besonders vulnerablen Frauen und Kinder zu schützen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung sind die heuer entstandenen Beratungsstellen, die endlich jene – vor allem männliche Täter – aufsuchen müssen, die Gewalt im sozialen Nahraum ausgeübt haben. In St. Pölten zeigen vermehrt von der Polizei einberufene Sicherheitsfallkonferenzen, dass hochgefährliche Täter schneller in den Fokus geraten – ein wichtiges Instrument, um betroffene Frauen und Kinder rechtzeitig zu schützen. Zusätzlich aber braucht es eine wachsame Gesellschaft, die Gewalt nicht duldet und Frauen auf dem Weg ins Frauenhaus oder ins Gewaltschutzzentrum unterstützt. Leider ist nach wie vor der verstärkte finanzielle Rückhalt auf Landesebene für die Frauenhäuser in Niederösterreich nötig, denn in den medial groß angekündigten Geldern für Gewaltschutz seitens des Bundes sind erhöhte Mittel für die Frauenhäuser bis dato nicht enthalten. Die Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern arbeiten nun ebenso wie das medizinische Personal in den Krankenhäusern bereits sehr lange Zeit unter den durch die Pandemie erschwerten Bedingungen. Die Unsicherheit über eine ausreichende Finanzierung belastet uns tagtäglich zusätzlich. Der Schutz vor Gewalt in Frauenhäusern darf nicht, selbst wenn nur zu einem geringen Teil, auf die Güte privater und institutioneller Spender*innen angewiesen sein, um diese Mittel den betroffenen Frauen und Kindern vorzubehalten.“
Mag.a (FH) Michaela Egger, MA, Geschäftsführerin Gewaltschutzzentrum NÖ – St. Pölten, Anerkannte Opferschutzeinrichtung im Auftrag des BM.I, BKA und BMJ
„Wir befinden uns in bewegten und bewegenden Zeiten, welche Menschen vor Herausforderungen stellen und an Belastungsgrenzen bringen. 3178 Personen wurden bisher im Jahr 2021 vom Gewaltschutzzentrum Niederösterreich beraten und unterstützt – in herausfordernden Lebensphasen für ein gewaltfreies Leben gemeinsam eingetreten. Abhängigkeiten, Gewaltdynamiken und Belastungslagen von gewaltbetroffenen Personen können sich durch einschränkende Zeiten mit Verringerung sozialer Kontakte und Zugänge verstärken. Gewalt gegen Frauen und Kinder bewegt.“
DSAin Ulrike Limberger, Leiterin Frauen- und Mädchenberatungsstelle Frauenzentrum St. Pölten
„Es ist nun bereits eine lange Zeit, in der uns das vorherrschende Thema „Corona“ begleitet und die Bevölkerung Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen, teilweise Schulschließungen, Quarantäne umzusetzen hat. Die Ängste, Isolation, finanzielle Sorgen der Menschen sowie Spannungen in den Familien nehmen zu. Viele Frauen kommen in die Beratungsstelle, weil das Zusammenleben zu Hause nicht mehr funktioniert – in Zeiten der Krise werden unausgesprochene Beziehungsprobleme virulent und noch offensichtlicher. Häusliche Gewalt nimmt an Intensität und Häufigkeit stark zu. Die Frauen- und Mädchenberatungsstelle ist eine systemrelevante Einrichtung und ist auch während des Lockdowns geöffnet und für Frauen und Mädchen da. Die Beraterinnen stehen ratsuchenden Frauen als erste Anlaufstelle zur Verfügung – unbürokratisch, anonym, überkonfessionell, überparteilich und kostenlos.“
Barbara Seyrl, Projektleiterin Frauenprojekt fairwurzelt und Mag.a Dr.in Bernadette Hausknost Sozialpädagogische Leitung
„Finanzielle Abhängigkeit fördert Gewalt!
Wir, das Frauenprojekt fairwurzelt, begleiten Frauen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und bieten ein Dienstverhältnis für bis zu 6 Monate. Auf diese Weise fördern wir die Selbstständigkeit von Frauen und unterstützen dabei finanzielle Abhängigkeit zu durchbrechen.
Wissen schützt vor Gewalt!
In unserer psychosozialen Beratung bieten wir Frauen die Möglichkeit das Thema Gewalt in einem geschützten Rahmen anzusprechen, wir beraten, informieren, vernetzen und unterstützen bei den nächsten Schritten. fairwurzelt hat sich zum Ziel gesetzt Selbstwert und Eigenverantwortung von Frauen zu stärken. Dies sind wesentliche präventive Faktoren gegen Gewalt.
Als Mitglied der Frauenplattform setzen wir regelmäßig gleichstellungsfördernde Aktivitäten, um Frauen eine Stimme zu geben und ihre Leistungen und Potentiale sichtbar zu machen.“
Dr.in Eva Hahn, Präsidentin, SI Club St. Pölten Allegria
„Unser Club der Soroptimistinnen in St. Pölten unterstützt auch heuer wieder „Orange the World“, die weltweite Kampagne gegen Gewalt an Frauen. Gerade auch in Österreich, wo – teils pandemiebedingt – die Gewalt an Frauen ebenso zunimmt wie die Zahl ermordeter Frauen, haben wir Handlungsbedarf. Daher wollen wir verstärkt auf die Gewaltdelikte gegen Frauen aufmerksam machen, auch wenn auch heuer wegen des Corona-Lockdowns leider wieder kein öffentliches Auftreten für dieses Ziel möglich ist. Wir Soroptimistinnen wollen zugleich auch Frauen in Notlagen unterstützen. Mit unserem aktuellen Projekt „Frauen-RESTART-Pakete“ geben wir jenen Frauen eine Starthilfe, die aus dem Frauenhaus heraus in ein neues und selbstbestimmtes Leben treten.“
Mag.a Silke Lohberg, Teamleiterin FBZ St. Pölten, Verein zb zentrum für beratung
„Gewalt gegen Frauen* ist als geschlechtsspezifische Gewalt strukturell und umfasst alle Formen der Diskriminierung von Frauen*. Strukturelle Gewalt gegen Frauen* zeigt sich in der ungleichen Verteilung gesellschaftlicher, ökonomischer und kultureller Bedingungen. Strukturelle Gewalt gegen Frauen* wird nach wie vor und aktuell in traditionellen Rollenzuschreibungen fixiert und äußert sich im privaten wie im öffentlichen Leben. Gewalt gegen Frauen* verletzt die Menschenrechte und die Grundfreiheiten. Sie hat nachhaltige Folgen für die Betroffenen und für die gesamte Gesellschaft.“
DSAin Petra Fischer, Leiterin Mutter-Kind-Haus, Caritas St. Pölten
„Nicht oft genug können wir betonen, dass alle Menschen das Recht auf ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben haben. Medienwirksam wird oft nur über die eskalierte Gewalt berichtet. Viel subtiler und oft unterschätzt sind Formen der psychischen Gewalt, wie Drohungen, Nötigungen und Demütigungen gegen Frauen und Mädchen. Neue Technologien machen es noch einfacher für Täter. Gegen Mobbing, Stalking und Hasspostings muss es endlich ausreichend Schutz und strenge Konsequenzen für die Täter geben. Politik und Gesellschaft müssen sich eindeutig gegen diese Form der Gewalt positionieren. Nicht zu vergessen: Frauenschutz ist auch Kinderschutz.“
Stadträtin Mag.a Renate Gamsjäger, Vorsitzende des SPÖ-Bezirksfrauenkomitees St. Pölten
„Die Spannungen in unserer Gesellschaft in Corona-Zeiten wirken sich massiv in die privaten Beziehungen hinein. Die Zunahme an Gewalt gegen Frauen in jeder Form sind erschreckend. Die Regierung ist aufgefordert, alles zu unternehmen, um gegen Gewalt vorzugehen, Gewalttaten zu vermeiden und die Opfer zu schützen.“
Ulrike Reindl, MSc, Projektleiterin Qualify for Hope, ProVita Bildungs GmbH
„Viel zu oft schauen Menschen weg, wenn Unrecht passiert. Wir schauen hin und reagieren! Jeder Mensch hat das Recht auf ein gewaltfreies Leben. Gewalt kann und darf nie eine Lösung sein! Jede Frau soll sich sicher fühlen dürfen, wenn sie alleine unterwegs ist! Betroffene sollen den Mut haben das Thema anzusprechen ohne Angst davor haben zu müssen! Die Politik muss sich um mehr Präventionsmaßnahmen kümmern und ausreichend Möglichkeiten bereitstellen, um Opfern Hilfeleistungen geben zu können.”
Dr.in Doris Kloimstein, freie Schriftstellerin und Mitglied des Schörl DenkRaumes
„Sagen, was ist, verändert die Welt. Dieses Zitat von Hannah Arendt sagt mir, dass ich zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen jetzt sage: Die Gewalttäter sind nach wie vor unter uns.“
Mag.a Martina Eigelsreiter, Leiterin Büro für Diversität St. Pölten
„Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Problem, das gesellschaftlich gelöst werden muss. Denn das Recht auf seelische und körperliche Unversehrtheit ist ein elementares, unantastbares Menschenrecht. Es ist wichtig, Gewalt an Frauen zu erkennen, zu benennen und dagegen zu handeln. Zu einer verstärkten gesellschaftlichen Sensibilisierung bezüglich des Themas tragen Informationskampagnen wie die Aktion „16 Tage gegen Gewalt“ maßgeblich bei. Seit Jahren beteiligt sich die Frauenplattform St. Pölten mit zahlreichen Veranstaltungen an dieser internationalen Kampagne und weist damit öffentlich auf die Problematik der häuslichen Gewalt hin und zeigt mögliche Wege aus dem Gewaltkreislauf auf. Beratung, Betreuung, Soforthilfe – St. Pölten verfügt über ein dichtes Gewaltschutznetzwerk. Die Mitglieder der Frauenplattform sind Kämpferinnen für die Rechte der Frauen, für deren selbstbestimmtes und selbstbewusstes Leben ohne Gewalt und Leid und damit unverzichtbar für unsere Stadt.“
DSA Alexander Grohs, MSc, Leiter der Einrichtung NEUSTART Niederösterreich und Burgenland
„Der Verein NEUSTART ist seit Jahrzehnten im Bereich der Straffälligenhilfe (u.a. Bewährungshilfe) tätig. Seit 1. September 2021 müssen Personen, gegen die ein Betretungs- und Annäherungsverbot verhängt wurde, eine verpflichtende sechsstündige Gewaltpräventionsberatung bei der Beratungsstelle für Gewaltprävention absolvieren. In Niederösterreich ist dafür der Verein NEUSTART zuständig. Innerhalb von fünf Tagen nach Verhängung muss sich der/die Gefährder:in unter 02742/77475-2600 melden und bekommt einen Ersttermin zugeteilt, der spätestens innerhalb von vierzehn Tagen stattfinden muss. Die weiteren Termine werden mit dem/der Berater:in vereinbart. Die Ziele sind ein sofortiger Gewaltstopp, Krisenintervention und Stabilisierung, Risikoeinschätzung, Gewaltarbeit sowie Förderung einer Veränderungsmotivation und Weitervermittlung an eine geeignete Nachbetreuungseinrichtung. Wichtig ist weiters die Kooperation mit den Opferschutzeinrichtungen und den Sicherheitsbehörden, u.a. bei sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen und Gefahr in Verzug.
Gewalt gegen Frauen ist kein Privatthema, sondern eines der Gesellschaft. Die verpflichtende Täterarbeit ist hierbei ein wichtiger Beitrag zum gesamtheitlichen Gewaltschutz.“
Anna Steinberger, BSc, BSc, MA, Gender- und Diversity Beauftragte der FH St. Pölten
„Sexuelle Gewalt darf in unserer Gesellschaft nicht toleriert werden. Die FH St. Pölten verbietet daher jegliche Form der sexuellen Belästigung von Mitarbeiter*innen, Studierenden oder anderen Personen im Hochschulbetrieb in ihrer Satzung. Der Campus der FH ist ein tolerantes, inklusives Umfeld, wo Diversität wertgeschätzt wird.“