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Matthias Stadler im Gespräch

Bürgermeister Matthias Stadler im Gespräch mit Michael Koppensteiner vom Medienservice über den Zusammenhalt in der Stadt, die große Welle der Hilfsbereitschaft und aktuelle städtische Maßnhamen, wie die „Starthilfe für St. Pölten“.

Bürgermeister sitzend in der Kremser Gasse beim Gespräch mit dem Leiter des Medienservice. (Foto: Arman Behpournia)
Bürgermeister Mag. Matthias Stadler dankt im Gespräch mit Medienservice Leiter Mag. Michael Koppensteiner dem gesamten Rathausteam für das hervorragende Engagement in der Corona-Krise.(Foto: Arman Behpournia).

Koppensteiner: Geschätzter Herr Bürgermeister! Ihre Mutter ist mittlerweile 91 Jahre alt. Wann haben sie sich zuletzt umarmt?
Matthias Stadler: Das war am Muttertag. Ich versuche natürlich, wie viele St. Pöltnerinnen und St. Pöltner, auf jene Familienmitglieder Rücksicht zu nehmen, die zur Risikogruppe zählen. Am Muttertag standen dann doch die Emotionen im Vordergrund. Meine Mutter war bzw. ist gut versorgt, Einkäufe musste ich nur meine eigenen erledigten – das war mir aber wichtig, weil ich mir ein Bild davon machen wollte, wie die von der Bundesregierung verordneten Hygienemaßnahmen gegriffen haben.

Waren die Maßnahmen der Bundesregierung gerechtfertigt?
Stadler: Es mussten Maßnahmen gesetzt werden. Ich denke, dass man mit den Maßnahmen auch gezeigt hat, dass Gesundheit ein sehr hohes Gut ist und ich war erstaunt und überwältigt, wie konsequent sich die St. Pöltnerinnen und St. Pöltner daran gehalten haben. Irgendwann haben sich dann aber immer mehr Fehler eingeschlichen. Bei Pressekonferenzen gesagt wurde das eine, im Gesetz stand dann leider etwas anderes. Irgendwann kannte sich keiner mehr aus und man hat damit für Verunsicherung gesorgt. Hier hätte ich mir mehr Klarheit und Ehrlichkeit gewünscht. Mit der Angst zu spielen – gerade in dieser Situation – war aus meiner Sicht nicht der richtige Weg. Man soll den Menschen reinen Wein einschenken, gerade wenn man die Mithilfe der Bevölkerung braucht. Angst ist eine Emotion, die auch so schnell nicht wieder verschwindet. Gerade jetzt, wo viele Bereiche wieder hochfahren, merkt man das. Damit spielt man nicht.

Immer wieder für Verwirrung sorgen auch die Zahlen des Gesundheitsministeriums. Mehrmals sind diese von den Zahlen des Gesundheitsamtes abgewichen und wurden nachträglich wieder korrigiert. Wie kann das sein?
Stadler: Genau kann ich das bis heute nicht sagen. Anscheinend wurden Zahlen von den Verwaltungsbezirken St. Pölten Land und St. Pölten Stadt vermischt bzw. neu Infizierte aus dem Universitätsklinikum mit eingerechnet. Auch das führt zu Verunsicherung, auch wenn die Zahlen im Nachhinein nach unten korrigiert und somit unsere Daten bestätigt wurden. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um dem Team der Gesundheitsverwaltung zu danken. Hier wurde in den vergangenen Wochen hervorragende Arbeit, unter sicher nicht immer einfachen Umständen, geleistet. Ebenso möchte ich dem Krisenstab sowie dem gesamten Rathausteam meine Hochachtung aussprechen.

Seit Mitte Mai ist das Rathaus wieder für Bürgerinnen und Bürger geöffnet. Sind die städtischen Leistungen noch eingeschränkt?
Stadler: Wir bieten wieder alle Leistungen an – vom Standesamt bis zur Bestattung. Vereinzelt noch mit eingeschränkten Parteienverkehrszeiten und unter Einhaltung der gebotenen Abstände und Hygiene- bzw. Sicherheitsmaßnahmen. Der Neustart im Rathaus ist aber auch mit zahlreichen Neuerungen und Vereinfachungen für unsere Bürgerinnen und Bürger einhergegangen. So ist es bei vielen Magistratsabteilungen ab sofort möglich, Termine online zu buchen. Es hat sich wieder einmal eines gezeigt: St. Pölten ist krisenfest. Wir haben in der jüngeren Geschichte mehrmals bewiesen, dass wir als Stadt auch schwierige Ereignisse bewältigen und uns auf ganz unterschiedliche Herausforderungen sehr schnell einstellen können.

Sie haben sich in den vergangenen Wochen per Videobotschaft mehrmals an die St. Pöltner Bevölkerung gewandt.
Stadler: Ich habe seitens der Bevölkerung ein starkes Bedürfnis nach klarer Information verspürt und gerade in Zeiten, in denen auch viele Gerüchte kursieren, halte ich es für besonders wichtig, Halt zu geben. Rein über Videobotschaften, Telefon- und Videokonferenzen zu kommunizieren war auch für mich eine neue Erfahrung. Wir haben auch die Plakatstelen in der Stadt, die normalerweise für die Bewerbung von Veranstaltungen genutzt werden, verwendet, um wichtige Informationen zu transportieren.

Apropos Information. Die Stadt hat umgehend eine eigene Hotline eingeführt. Was waren die wichtigsten Aufgaben?
Stadler: Auch hier hat sich das Bedürfnis nach Information gezeigt. Und es war eine wichtige Drehscheibe für die Vermittlung von Freiwilligen, die Einkäufe erledigt haben. Auch die Aktion „Essen auf Rädern“ haben wir, wo es nötig war, ausgeweitet. Gemeinsam mit der Studierendenvertretung der Fachhochschule haben wir damals einen Aufruf gestartet und die vielen Rückmeldungen haben mich überwältigt. Es macht Gänsehaut, so eine Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität in der Stadt zu spüren.

Schnell reagiert wurde auch mittels Sofortmaßnahmen. Warum haben sie die sogenannte Schanigartengebühr bis Ende des Jahres erlassen?
Stadler: Die Maßnahmen haben die Gastronomie besonders hart getroffen. Die Branche war am längsten von Betretungsverboten betroffen, und hat auch seit dem Wiederhochfahren die meisten Auflagen. Wir wollten die Branche unterstützen, und ebenso, dass man sich im Freien trifft. Alle Experten sagen uns, dass Zusammenkünfte im Freien weitaus unproblematischer sind. Wir haben aber nicht nur die Gebühr bis Jahresende erlassen, sondern, wo es geht, die Schanigärten vergrößern lassen, damit durch die Abstandregelungen möglichst wenige Plätze verloren gehen. Als Stadt haben wir aber auch unbürokratisch Abgaben gestundet und die Kurzparkzone ausgesetzt.

Mit der Aktion „Starthilfe für St. Pölten“ haben sie nun eine weitere Maßnahme präsentiert. Warum?
Stadler: Ich wollte einen klaren Impuls setzen, der direkt die heimische Wirtschaft ankurbelt und auf der anderen Seite sofort bei den Menschen ankommt. Denn: Wer schnell hilft, hilft doppelt. Daher haben wir das Wiener Model weiterentwickelt und auf alle Betriebe ausgeweitet. Unkompliziert und direkt geben wir den St. PöltnerInnen ein Werkzeug in die Hand, um der heimischen Wirtschaft zu helfen. Dabei kann jeder den Betrieb unterstützen, der ihm besonders wichtig ist. Wir St. Pöltner halten zusammen.

Im Gemeinderat wurden nun zahlreiche Konjunkturmaßnahmen beschlossen, gleichzeitig brechen wichtige Einnahmen wie die Kommunalsteuer ein, wie geht sich das aus?
Stadler: Alleine im Straßenbau haben wir 5 Millionen Euro auf den Weg gebracht, über 50 Millionen im Bildungssektor inklusive Fachhochschule investiert, ebenso wurde das Feuerwehrhaus in Viehofen, aber auch viele Sanierungen von Wohnbauten beschlossen. Das zeigt schon, die Städte und Gemeinden sind die größten Investoren in der Republik und wenn man die finanziell weiter aushöhlt, dann spürt das die heimische Wirtschaft besonders. Nicht nur die Kommunalsteuer, sondern auch die Gelder des Bundes, die sogenannten Ertragsanteile, sind stark rückläufig.

Sie fordern also ein Konjunkturpaket für Städte und Gemeinden?
Stadler: Es bracht ganz klar ein Investitionspaket des Bundes für Städte und Gemeinden. Wir wollen keine Sparpakete, wir wollen die Wirtschaft beleben. Da ziehen Gemeindebund und Städtebund an einem Strang, damit die Hilfe bei den Betrieben und am Arbeitsmarkt endlich ankommt. Es kann nicht sein, dass wir Wochen über Maßnahmen diskutieren. Hier gehören endlich Nägel mit Köpfen gemacht. Eine Zweckwidmung dieser Gelder für klimarelevante Maßnahmen, Bildung, den öffentlichen Nahverkehr, etc. wäre da sicher der richtige Weg.

Auch im Kulturbereich haben sie sich an die Seite der KünstlerInnen und Kulturschaffenden gestellt. Warum war ihnen das so wichtig?
Stadler: Ich kenne selbst viele betroffene Künstlerinnen und Künstler. Ich weiß, wie schwierig es schon in Normalzeiten ist, wenn man nicht ein Star aus der ersten Reihe ist. International präsentiert sich Österreich bei jeder Gelegenheit als Kulturnation – gerade auch im Tourismus wird damit viel Geld verdient – und jetzt gehen wir derart stiefmütterlich mit dieser Branche um. Deshalb unterstützen wir zum Beispiel das Kulturprogramm beim Open Air Kino mit regionalen KünstlerInnen am Areal des städtischen Veranstaltungszentrums VAZ.

Zum Abschluss: Wo werden sie dieses Jahr Urlaub machen?
Stadler: St. Pölten und die gesamte Region haben so viel zu bieten und es gibt viel zu entdecken. Ich habe mir vorgenommen, den Sommer in der Stadt zu genießen. Bedingt durch die Krise bin auch ich zu mehr Gartenarbeit im Frühjahr gekommen. Mein Garten ist also hergerichtet und da finden sich ein paar kühle, schattige Plätzchen, wo man das ein oder andere Achterl genießen kann.